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Preisexplosion bei Rohstoffen –
Anspruch auf (Preis-)Anpassung?

Die deutsche wie internationale Wirtschaft musste in den letzten Jahren mit gravierenden Belastungen umgehen, insbesondere bedingt durch die Corona-Krise. Infolge des Kriegs in der Ukraine und der damit verbundenen politischen Entwicklungen sind weitere Hindernisse hinzugekommen, insbesondere Rohstoffknappheiten und erhebliche Steigerungen von Rohstoffpreisen, welche die Herstellung von Produkten signifikant verteuern können. In diesem Zusammenhang gibt es vielfältige Themen. Im Rahmen dieses Blog-Beitrags wird beleuchtet, ob bzw. auf welcher rechtlichen Basis Lieferanten von ihren Abnehmern wegen erhöhter Rohstoffpreise die Zahlung höherer als der zwischen ihnen mittel- bzw. langfristig vereinbarten Preise verlangen bzw. erreichen können.

1. Vertragliche Regelungen

1.1 Vertragsanpassungsklauseln

Der betroffene Lieferant sollte zunächst einmal prüfen, ob er sich auf vertragliche Vereinbarungen zum Umgang mit Steigerungen der Preise von Rohstoffen stützen kann, insbesondere auf spezifische Preisanpassungsklauseln. Entsprechende Klauseln sind eine im Vergleich zur ergänzenden Vertragsauslegung (siehe unten unter 2.) und zur Störung der Geschäftsgrundlage (siehe unten unter 3.) wesentlich sicherere rechtliche Basis, soweit die jeweilige Klausel wirksam vereinbart wurde. Dabei werden mehrere Arten von Klauseln unterschieden:

  • Die Preise können an die Veränderung bestimmter Kostenelemente als Teil der beim Lieferanten anfallenden Kosten wie etwa Kosten von Rohstoffen oder auch Lohnkosten geknüpft sein (sog. Kostenelementklausel).
  • Sie können an Bezugsgrößen wie etwa statistische Indizes (sog. Indexklausel) gekoppelt sein.
  • Sie können an die Preisentwicklung gleichartiger bzw. vergleichbarer Güter gekoppelt sein (sog. Spannungsklausel).
  • Darüber hinaus kommt in Betracht, dass dem Lieferanten eine Preiserhöhung nach seinem Ermessen gestattet wird (sog. Vorbehaltsklausel).

1.2 Achtung vor AGB-Fallen

Wer sich auf solche Klauseln berufen möchte, sollte das Risiko der potenziellen Unwirksamkeit der jeweiligen Klausel im Blick haben. Dabei sind, da viele Unternehmen mit Standardklauseln arbeiten, typischerweise zunächst einmal die Anforderungen des AGB-Rechts (§§ 305 ff. BGB) in den Blick zu nehmen (soweit der Lieferant und nicht der Abnehmer die jeweilige Standardklausel verwendet hat). Die Anforderungen des AGB-Rechts sind auch im b2b-Geschäftsverkehr nicht zu unterschätzen. Auch dort ist im Hinblick auf die Wahrung der Angemessenheit der Regelung der Grundsatz zu beachten, dass die Klausel dem Lieferanten nicht erlauben sollte, einseitig nachträglich seinen Gewinn – anlässlich der Kostenerhöhungen – zu steigern, anstatt schlicht Kostenerhöhungen auszugleichen. Dies auch nicht etwa, indem nur an Erhöhungen bestimmter Kosten angeknüpft wird, ohne zu berücksichtigen, ob sich die Gesamtkosten überhaupt erhöht haben. Ein weiterer Grundsatz ist, dass für den Abnehmer die Kriterien für die Anpassung nachvollziehbar sein sollten, so dass er die Behauptung einer vermeintlichen Kostenerhöhung auch überprüfen kann. Dabei handelt es sich aber eben nur um Grundsätze für die Bewertung, die nicht uneingeschränkt gelten, wie so oft im AGB-Recht; d.h. gewisse Abweichungen sind zulässig und jede Klausel ist genau zu prüfen. So hat der BGH etwa im Hinblick auf Preisvorbehaltsklauseln anerkannt, dass deren Verwender ein berechtigtes Interesse daran haben kann, bestimmte der Preisanpassung zugrunde liegende Kostenkalkulationen nicht offenlegen zu müssen, d.h. hier werden gewisse Abstriche bei der Transparenz toleriert.

1.3 Preisklauselgesetz

Neben etwaigen AGB-rechtlichen Vorgaben können je nach Ausgestaltung der Anpassungsklausel die Vorgaben des Preisklauselgesetzes (Stichwort Indexklauseln) zu beachten sein. Allerdings sieht dieses Gesetz die Unwirksamkeit einer nach seinen Regeln unzulässigen Klausel erst zum Zeitpunkt des (gerichtlich) rechtskräftig festgestellten Verstoßes gegen das Gesetz vor, soweit nicht eine frühere Unwirksamkeit vereinbart ist (was in der Regel nicht der Fall ist).

1.4 Force Majeure

Neben den klassischen Preisanpassungsklauseln kommen als weitere mögliche Grundlage für einen Anspruch auf Vertragsanpassung bisweilen auch „Force Majeure“-Klauseln (höhere Gewalt) in Betracht. Force-Majeure-Klauseln haben jedoch typischerweise einen anderen Fall im Auge als die Erhöhung von Rohstoffpreisen, nämlich, dass eine Partei durch ein externes Ereignis an der Leistungserbringung gehindert wird (und dann gemäß der jeweiligen Klausel für eine bestimmte Dauer von ihrer Leistungspflicht befreit wird). Regelmäßig erfassen Force-Majeure-Klauseln somit im Ergebnis nicht den hier interessierenden Fall der Preissteigerung bei gleichzeitig weiterhin bestehender Möglichkeit der Leistungserbringung seitens des Lieferanten. Es lohnt sich gleichwohl, dies im Einzelfall zumindest kurz zu überprüfen.

2. Ergänzende Vertragsauslegung

Fehlt es an vertraglichen Vereinbarungen bezüglich einer Preisanpassung, ist eine sog. „ergänzende Vertragsauslegung“ in Betracht zu ziehen. Dabei geht es vereinfacht gesagt darum, eine etwaige Lücke im Vertrag durch einen Rückgriff auf die sonstigen Inhalte des Vertrags und die darin zum Ausdruck kommenden Wertungen sowie objektive Gesichtspunkte (Verkehrssitte, Maßstab von Treu und Glauben) zu schließen. Insoweit ist zu fragen, was die Parteien redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie den eingetretenen Fall, hier also eine gravierende Steigerung der Rohstoffpreise, vorhergesehen hätten.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich bereits, dass ein Rückgriff auf die ergänzende Vertragsauslegung mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Möchte sich der Lieferant auf dieses Rechtsinstitut stützen, muss er im Prozess im Normalfall einige Anstrengungen unternehmen, um das Gericht von seinem Standpunkt zu überzeugen. Dabei kann für eine ergänzende Vertragsauslegung zugunsten einer Preiserhöhung sprechen, dass die Parteien ausweislich des Vertragstexts bei Vertragsschluss bereits das Risiko von Steigerungen der Preise für die Produktion erkannt hatten und hierfür bestimmte Regelungen getroffen haben, auch wenn diese auf den konkreten Fall nicht anwendbar sind. Beispiel: Die Parteien haben ausdrücklich eine Regelung für den Fall der Erhöhung von Lohnkosten getroffen, aber nicht für den Fall der Erhöhung von Rohstoffkosten. Auch etwaige Diskussionen der Parteien anlässlich oder ausweislich der Vertragsentwürfe können insoweit heranzuziehen sein.

Demgegenüber scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung insbesondere dann aus, wenn sie dem Parteiwillen widerspräche. Sollte sich z.B. ergeben, dass die Parteien das Risiko etwaiger Steigerungen von Rohstoffpreisen bewusst dem Lieferanten auferlegt haben bzw. für diesen Fall gerade keine Anpassung der Preise gestatten wollten, ist insoweit kein Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung.

3. Störung der Geschäftsgrundlage

3.1 Ausgangslage

Fehlt es an einschlägigen vertraglichen Regelungen und kommt auch eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht, kann sich aus dem Gesetz ein Anspruch auf Preisanpassung ergeben. Dies zwar nicht aus den Regelungen zur sog. „Unmöglichkeit“ der Leistung (§ 275 BGB). Diese sind nämlich weder auf Tatbestandsseite (die Leistung ist noch möglich) noch Rechtsfolgenseite einschlägig (eine Vertragsanpassung ist nicht als Rechtsfolge vorgesehen). Jedoch kommt ein Anspruch auf Vertragsanpassung wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“ gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht. Eine Störung der Geschäftsgrundlage liegt allerdings nur im Ausnahmefall vor, und zwar dann, wenn das unveränderte Festhalten am Vertrag für eine Partei unter Berücksichtigung sämtlicher Einzelfallumstände und insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung unzumutbar ist. In diesem Fall besteht ein Anspruch gegen den Vertragspartner auf Anpassung an die veränderten Verhältnisse (d.h. es erfolgt keine automatische Anpassung durch das Gesetz). In Anbetracht der hier in den Blick genommenen Preisproblematik wird man als relevante Fallgruppe der Störung der Geschäftsgrundlage die sog. „Äquivalenzstörung“ ansehen müssen, bei der es um ein (erhebliches) Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung geht. Nach der Rechtsprechung ist dabei grundsätzlich anzunehmen, dass die Parteien von einer (mindestens ungefähren) Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ausgehen, selbst wenn diese Gleichwertigkeit bei den Vertragsverhandlungen „nicht besonders angesprochen oder bedacht worden“ ist.

Da die entsprechenden Vereinbarungen zu Konditionen und Preisen allerdings in der Hand der Parteien liegen, können mit Blick auf das Kriterium der Unzumutbarkeit des unveränderten Festhaltens am Vertrag nur ganz außergewöhnliche Umstände eine Anpassung erfordern. Ob solche außergewöhnlichen Umstände gegeben sind, ist Einzelfallfrage und lässt sich nicht schematisch beurteilen. In der Vergangenheit hat die Rechtsprechung z.B. bei einem Anstieg der Herstellungskosten auf das 15-fache oder (auch schon) um 60% eine Äquivalenzstörung angenommen. Auch wenn dies auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen scheint, ist zu bedenken, dass eine Vervielfachung der Kosten bei insgesamt sehr niedrigen Kosten weniger starke Auswirkungen haben kann als ein Anstieg um 60% bei ohnehin schon hohen Kosten (mit möglicherweise ruinösen Folgen für das Unternehmen). Maßgeblich muss sein, wie wesentlich die jeweils vom Preisanstieg betroffene Kostenposition gesamtbetrachtet die Kosten steigert und wie sich infolge dessen das Verhältnis zur Gegenleistung darstellt.

Hierbei liegt im Grundsatz das Risiko der Steigerung der Preise von Rohstoffen beim Lieferanten. Wenn jedoch die sog. „Opfergrenze“ überschritten wird, also die Preissteigerung (weit) über die Grenze des von ihm übernommenen, typischerweise vorhergesehenen Risikos hinausgeht, dann kommt gleichwohl eine Vertragsanpassung in Betracht. Wesentlich ist dabei, dass die relevanten Umstände außerhalb des Einfluss- bzw. Risikobereichs des Lieferanten liegen müssen. Dabei ist nicht allein ein grundsätzlich zugunsten einer Vertragsanpassung in Betracht kommender Anlass (etwa: Krieg und Kriegsfolgen) zu berücksichtigen. Ein Anpassungsanspruch auf Basis einer Störung der Geschäftsgrundlage kann dabei ausgeschlossen sein, wenn der Lieferant sich trotz entsprechender Möglichkeit und Vorhersehbarkeit nicht hinreichend abgesichert haben sollte, etwa durch angemessene Bevorratung der jeweiligen Rohstoffe.

3.2 Ukrainekrieg

Im Fall des russischen Angriffs auf die Ukraine dürften wesentliche Umstände schon auf Basis der öffentlich getätigten Aussagen diverser Akteure nicht vorhersehbar gewesen sein. Das gilt für den Angriff selbst wie auch die umfassenden gegen Russland ausgesprochenen Sanktionen und den bisherigen Verlauf des Krieges sowie die damit letztlich einhergehenden Lieferausfälle aus der Ukraine und Russland bzw. die entsprechende Verknappung der Rohstoffe und deren Preissteigerung. Dass ein Lieferant diese Aspekte zuvor rechtzeitig vorhersehen konnte, liegt nicht nahe. Dabei sind die Auswirkungen auf die Preise teilweise auch im Zusammenspiel mit anderen Faktoren erheblich. So bewegte sich etwa der Gaspreis Ende Februar/Anfang März 2022 bei ca. 200 Euro je Megawattstunde; das langjährige Mittel bewegte sich demgegenüber laut Pressemeldungen zwischen zehn und 25 Euro; der Anstieg ging allerdings nicht allein auf den Kriegsbeginn zurück, was hier nicht vertieft wird.

Dies bleibt aber jeweils Einzelfallfrage, und der Lieferant wird insbesondere in Anbetracht der strengen Anforderungen an die Störung der Geschäftsgrundlage gute Argumente benötigen, um eine Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag zu begründen. Hier werden im Ergebnis wahrscheinlich nur solche Fälle erfolgreich sein, bei denen bei Nichtanpassung gerade des jeweiligen Vertrags bzw. der jeweiligen Verträge nachweislich gravierende, nachhaltige Folgen für den jeweiligen Lieferanten bzw. sein Unternehmen aufgezeigt werden können; dies könnten etwa eine Existenzgefährdung des Lieferanten oder der Umstand sein, dass im Rahmen einer dauerhaften Vertragsbeziehung die zur Erfüllung der Vertragsleistung notwendigen Aufwendungen des Lieferanten das vereinbarte Entgelt dauernd und erheblich übersteigen (Beurteilung solcher Konstellationen mangels Entscheidungsrelevanz offengelassen in früheren BGH-Entscheidungen, etwa zur Ölkrise 1973).

Auch vor diesem Hintergrund wird man als Lieferant im Normalfall davon ausgehen müssen, dass es sehr schwierig wird, eine Störung der Geschäftsgrundlage aufzuzeigen. Angesichts der allgemein als äußerst überraschend wahrgenommenen Entwicklungen und der gravierenden Auswirkungen auf die Rohstoffsituation und die entsprechenden Preise erscheint dies gleichwohl nicht ausgeschlossen, jedenfalls bei nachweisbar gravierenden wirtschaftlichen Auswirkungen (s. oben).

3.3 Inhalt des Anpassungsanspruchs

Anspruchsinhalt ist ggf. die Wiederherstellung eines gewissen Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung. Bedenkt man, dass typischerweise das Risiko bzgl. der Kosten für die Produktion beim Lieferanten liegt, wird dies regelmäßig auf eine (Liefer-)Preisanhebung hinauslaufen. Diese darf nur soweit gehen, wie es zur Risikobefreiung erforderlich ist, und führt somit nicht zu einer vollständigen Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung (§ 313 Abs. 1 BGB: „[…] kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit […]“). Hier muss den Einzelfallumständen Rechnung getragen werden, schematische Lösungen scheiden aus.

4. Zusammenfassung und Empfehlungen

Der betroffene Lieferant sollte zunächst einmal prüfen, ob er sich auf vertragliche Vereinbarungen zum Umgang mit Steigerungen der Preise von Rohstoffen stützen kann, insbesondere auf spezifische Preisanpassungsklauseln. Sie bieten regelmäßig die sicherste Grundlage für entsprechende Anpassungen, wobei sich Risiken bzgl. der Unwirksamkeit der jeweiligen Klausel insbesondere aus dem AGB-Recht ergeben können (bei Standardklauseln).

Demgegenüber sind die ergänzende Vertragsauslegung und das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage deutlich unsicherer als Basis für eine etwaige Vertragsanpassung; fehlt es allerdings an einer erfolgversprechenden vertraglichen Grundlage für eine Anpassung, sollten Lieferanten diese beiden Instrumente in Erwägung ziehen und ihre jeweiligen Argumentationsaussichten prüfen.

Davon unabhängig kann es sinnvoll sein, trotz eher geringer rechtlicher Erfolgsaussichten den Austausch mit dem jeweiligen Abnehmer zu suchen. Da es durchaus möglich ist, dass in der jeweils betroffenen Branche bereits andere Lieferanten ihren Betrieb einstellen mussten, und weil die teils erheblichen Preisanstiege bereits im jeweiligen Markt bekannt sein dürften, mag der jeweilige Abnehmer bereit sein, dem Lieferanten zumindest für einen Übergangszeitraum bei den Preisen entgegenzukommen.

Zudem sollten Lieferanten andere Aspekte in den Blick nehmen, wie etwa, dass sie je nach den Einzelfallumständen, insbesondere nach den vertraglichen Regelungen, nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sein mögen, Bestellungen des jeweiligen Kunden anzunehmen bzw. diesen zu beliefern; dies z.B., weil infolge Knappheiten beim Rohstoffeinkauf eine flächendeckende Belieferung sämtlicher Abnehmer nicht zwangsläufig gewährleistet sein mag (was wiederum komplexe rechtliche Fragen aufwirft). Der jeweilige Abnehmer kann ein erhebliches Interesse daran haben, die eigene Belieferung sicherzustellen oder jedenfalls nicht zu gefährden. Auch insoweit ist letztlich eine nähere Prüfung des Einzelfalls unumgänglich und klar zu empfehlen.