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HF-Law-Serie: Die neue EU-Marktüberwachungsverordnung und ihre Umsetzung

Teil 2: Zollkontrollrecht

Eine der bedeutsamsten Änderungen durch die Marktüberwachungsverordnung (EU) 2019/1020 („MÜV“) betrifft die Einfuhrkontrollen durch die Zollbehörden.

Die EU-Kommission sieht in der Einfuhrkontrolle (zu Recht) ein wichtiges Instrument zur Reduzierung nicht konformer Produkte aus Drittstaaten und damit auch einer Reduzierung von Sicherheitsrisiken. Vor diesem Hintergrund wird in der MÜV das Zollrecht verschärft. Die Änderung betrifft alle eingeführten Non-Food-Produkte, sofern keine spezielleren Regelungen existieren (vgl. Art. 2 MÜV). Das produktsicherheitsrechtliche Zollkontrollrecht war bislang in den Artikeln 27 – 29 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 geregelt, die durch die Artikel 25 – 28 der MÜV ersetzt werden.

Bislang konnten die Zollbehörden die Freigabe eines Produkts zum freien Verkehr auf dem Gemeinschaftsmarkt nur dann aussetzen, wenn

  1. Anhaltspunkte für eine ernsthafte Gefahr durch das Produkt vorlagen, oder
  2. dem Produkt nicht die vorgeschriebenen Unterlagen beilagen oder eine erforderliche Produktkennzeichnung fehlte, oder
  3. die CE-Kennzeichnung nicht wahrheitsgemäß oder irreführend auf dem Produkt angebracht war.

Diese eingeschränkte Prüfungskompetenz wird durch die MÜV erheblich erweitert. Neben den im Wesentlichen beibehaltenen früheren Aussetzungsgründen genügen für die Aussetzung u.a. begründete Zweifel an der Echtheit, Richtigkeit oder Vollständigkeit der dem Produkt beiliegenden Unterlagen. Damit können anders als früher nicht nur das vollständige Fehlen, sondern auch inhaltliche Fehler – hier liegt in der Regel der Hase im Pfeffer – beanstandet werden. Das Gleiche gilt für Verstöße gegen die neue Kennzeichnungspflicht gem. Art. 4 Abs. 4 MÜV (Kontaktinformationen eines in der EU ansässigen „Ansprechpartners“ für die Marktüberwachungsbehörden).

Die weitreichendste Erweiterung stellt aber die Aufnahme eines Auffangtatbestands in den Prüfungskatalog dar. Danach darf die Freigabe auch dann ausgesetzt werden, wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass das Produkt den geltenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union nicht entspricht. Somit sind die Zollbehörden in der Lage, praktisch jeden denkbaren Compliance-Verstoß im harmonisierten Produktbereich zu rügen. Insoweit wird die Praxis zeigen müssen, wieviel spezifische Kompetenz und Ressourcen bei den Zollbehörden vorhanden sind bzw. geschaffen werden.

Der auf die Aussetzungsentscheidung folgende Verfahrensablauf bleibt weitestgehend gleich. Die Aussetzung ist unverzüglich der Marktüberwachungsbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich die Zollbehörde gelegen ist, zu melden. Dieser obliegt auch weiterhin die endgültige Entscheidung darüber, wie in der Sache und mit dem Produkt verfahren wird. Sie hat aber anders als bislang nicht drei, sondern vier Arbeitstage „Bedenkzeit“ um die Aufrechterhaltung der Aussetzung gegenüber der Zollbehörde anzuordnen.

Ergänzt werden die Einfuhrbestimmungen durch gesteigerte Informationsaustauschpflichten mit den Marktüberwachungsbehörden, sowie der Behörden der Mitgliedsstaaten untereinander und gegenüber der Kommission im Rahmen eines neu geschaffenen Informations- und Kommunikationssystems. Praktisch rege Nutzung unterstellt, kann das zu erheblich weitreichenderen Konsequenzen führen, etwa marktaufsichtlichen Maßnahmen bezüglich bereits vertriebener Produkte.

Die Änderungen im Zollkontrollrecht sind durchaus beachtlich und es ist damit zu rechnen, dass künftig deutlich mehr Produkte „beim Zoll hängen bleiben“. Nicht zu unterschätzen ist sicherlich auch das Risiko, dass Marktaufsichtsbehörden infolge einer Zollbeanstandung (und Informationsweitergabe über das Informations- und Kommunikationssystem) Maßnahmen bezogen auf bereits vertriebene Produkte treffen.